Der Tischtennisclub Young Stars Zürich erlebt beim Nachwuchs momentan eine “Golden Generation”. Dies wurde an diesem Wochenende an der Nachwuchs SM in Lyss nochmal bestätigt, als der Zürcher Traditionsclub gleich in sechs verschiedenen Kategorien Medaillen holte. 

 

Noe und Sevi nicht ins Album

Fotos: René Zwald

 

Manch einer mag sich noch an Sonntag, den 28. August 2016 erinnern (die beiden Protagonisten dieses Berichts tun dies auf jeden Fall nicht): in der neunten Serie an der YSZ Competition treffen zwei Neunjährige in ihrem ersten Gruppenspiel aufeinander. Ihre Namen? Noe Keusch und Severin Scherer. Für Keusch, der als Erster der heutigen Junioren-Bande beim TTC YSZ eine Spiellizenz löste, ist es das allererste Match seines Lebens, für Scherer das erste in seiner künftigen Tischtennis-Heimat. Das Resultat: 11-7, 11-3, 5-11, 11-8 für Keusch. 

 

Und am Sonntag 03. April 2022 erlebten die zwei T3-Kaderspieler ihre Sternstunde.

 

Für Keusch gab es am Sonntag vor allem zwei Ziele: der Titel bei den U15 Knaben im Einzel und im Doppel, nach den zwei bitteren 2:3-Finalniederlagen in diesen Kategorien an der coronabedingt nachgeholten SM im September. Sehr ähnlich auch bei Scherer, der damals das Podest im Einzel auf ebenso bitter verpasst hatte. 

 

Ihr Tag begann aber mit dem Mixed Doppel. Scherer und Lena Sadrina (Neuhausen) wären in der Startrunde beinahe schockiert worden. 0:2 Sätzen lag das Duo hinten und mussten später im Entscheidungssatz noch ein 4-8 aufholen, ehe ihnen der Einzug in die nächste Runde gelang. Danach fanden die zwei aber immer besser ins Spiel und qualifizierten sich schlussendlich fürs Halbfinal, das sie, trotz sensationeller Aufholjagd und Abwehr von insgesamt sechs Matchbällen in verschiedenen Durchgängen, mit 9-11 im Entscheidungssatz an das Duo aus ZZ-Lancy abgeben mussten.

 

SeviLenaPodest U15 Mixed

 

Keusch startete in der nächst höheren Alterskategorie U18 an der Seite von Clubkollegin Shaili Schochet. Die zwei Anführer der YSZ-Nachwuchstruppe demonstrierten, dass sie sich, genau wie ihre Väter, auch an der Platte sehr gut verstehen. Ihr Startspiel gewannen sie relativ souverän in vier Sätzen, bevor es im Viertelfinal gegen die Paarung Lilly/Frank (Basel/Rio-Star Muttenz) ging. Keusch und Schochet zeigten eine gute Leistung, agierten aber in den entscheidenden Momenten zu inkonsequent und unterlagen den nachmaligen Vizemeisterin in drei knappen Sätzen. 

 

NoeShaili

 

“Das Mixed war ein wenig schade. Shaili hat sehr gut gespielt, in den entscheidenden Momenten waren die anderen halt ein bisschen besser”, so das Fazit von Keusch.

 

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Wenig später begann dann das U15 Knaben Doppel. Mit einer unglaublichen Entschlossenheit marschierten Scherer und Keusch problemlos ins Endspiel, wo sie es mit den Titelverteidigern Gehl/Vepa (UGS-Chênois/ZZ-Lancy) zu tun bekamen. 9:7 hatten die Young Stars vor einem halben Jahr im Entscheidungssatz noch geführt gehabt, ehe die zwei Genfer den Titel in Extremis noch gekrallt hatten. Doch Keusch und Scherer hatten sich im Vorfeld ideal auf ihre Gegner vorbereitet und kamen diesmal mit den grünen langen Noppen von Felix Gehl deutlich besser zurecht. Mit 11-5, 14-12 und 11-6 klappte es im vierten Anlauf endlich mit dem Schweizermeistertitel.

 

Wie viel dies den beiden Freunden bedeutete, konnte man an ihrem Jubel erkennen. “Es war eine Mischung aus grossem Glücksgefühl und riesige Erleichterung”, beschrieb Keusch anschliessend den Moment, als der Traum endlich Realität wurde. “Wie unser Vizepräsident wohl sagen würde: episch legendär.” Und Scherer ergänzte: “Wir freuen uns, dass es endlich geklappt hat. Alle guten Dinge sind vier!”

 

Podest U15 Doppel

 

Als grosser Favorit stieg Keusch dann am Nachmittag im U15 Knaben Einzel ins Rennen. Seine Gruppenspiele gewann er, wie erwartet, allesamt ohne Satzverlust, ebenso das Achtelfinal gegen Michel Asper (Bremgarten). Nun wartete leider nicht Bruder Lenni, sondern wieder Felix Gehl, der den jüngeren Keusch zuvor in der Verlängerung des vierten Satzes aus dem Turnier geworfen hatte. Doch nun bekam er seine Grenzen aufgezeigt. Mit einem eindeutigen 3:0 glückte dem YSZ’ler die Halbfinalqualifikation. 

 

Ein nahezu identisch souveräner Auftritt glückte auch Scherer, der ebenfalls ohne Satzverlust im Viertelfinal stand. Jetzt aber stand ihm Angstgegner Fedor Abalakov (Worb) gegenüber. Dreimal diese Saison hatte Scherer gegen den Linkshänder spielen müssen, resultierte dreimal eine sehr bittere Niederlage im Entscheidungssatz. Doch von Julian Busslinger ausgezeichnet eingestellt und vorbereitet, drehte der 14-jährige Aargauer den Spiess um und sicherte, nach toller Leistung, mit 3:1 seine dritte Medaille des Tages. “Severin ist es gelungen mit mehr Rotation zu spielen und er hat grosse Fortschritte im Aufschlag und Rückschlag gemacht! Das Selbstvertrauen, welches ihm der Titel im Doppel gegeben hat, war sicherlich auch nützlich”, so die Analyse seines sehr zufriedenen Trainers.

 

Noe

 

Vor dem Halbfinal gab es dann eine gute und eine schlechte Nachricht. Die Gute? Ein YSZ’ler stand sicher im Endspiel. Die Schlechte? Einer würde es nicht. Denn die Auslosung hatte zur Folge, dass sich Keusch und Scherer nun erstmals an einer SM duellieren würden. Die Favoritenrolle lag klar bei Keusch, der, mit einer Ausnahme, alle Spiele gegen Scherer gewonnen hatte.

 

Und Aufeinandertreffen Nummer 14 setzte zu Beginn diesen Trend fort. 11-8 lautete das Verdikt für Keusch im ersten Satz, 11-6 im Zweiten. Doch ein unerschrocken auftretender Scherer schlug plötzlich zurück. Mit vielen sehenswerten Ballwechseln erkämpfte sich dieser eine 6:3-Führung. In Rückstand geraten konnte Keusch aber nochmals zulegen und krallte sich mit 11-8 auch diesen Durchgang. Der amtierende Vizeschweizermeister stand also wieder im Final. 

 

Sevi

 

“Es war ein sehr komischer Match, findest du nicht auch?”, meinten die zwei im Anschluss zueinander. “Aber es gab viele schöne Ballwechsel und ich denke wir haben gut gespielt”, äusserte sich Scherer zum Halbfinal, während Keusch noch anfügte: “Sevi hätte es mehr als verdient gehabt einen Satz zu gewinnen.”

 

Um 20:20 Uhr ging es dann für Keusch im Endspiel gegen Abishek Vepa (ZZ-Lancy). Vor zwei Monaten am Nachwuchs-Ranglistenfinal war der Zürcher seinem Angstgegner extrem bitter, nach einem (effektiven) “Championship Point” unterlegen und hatte den sicher geglaubten (und eigentlich schon gewonnen) Titel verloren. Das Duell der beiden besten U15-Spieler der Schweiz startete sehr schlecht. Vepa hatte sich zuvor im Halbfinal auf ein unfassbar hohes Niveau gebracht und knüpfte im Endspiel nahtlos daran an. Was auch immer Keusch probierte, der Genfer (und sein Trainer, der ehemalige französische Topspieler Michel Martinez) schien eine Antwort zu haben. Mit 3-11 ging der erste Durchgang flöten, der Zweite war mit 5-11 kaum besser. “Ich spiele gar nicht, was wir uns vorgenommen hatten”, so die Worte des Stadtzürchers in der Satzpause. Nun musste Keusch die nächsten drei Sätze allesamt gewinnen, um sich doch den Titel zu sichern, derselbe Umstand, den der sehr sympathische Vepa an der Top 8 gehabt hatte.

 

Doch dank den Anweisungen von Coach Markus Baumann konnte Keusch aber nun sein Spiel umzustellen und sein Level steigern. So gewann der YSZ’ler zu Beginn von Satz drei den längsten und schönsten Ballwechsel des Matches, was dann auch etwas wie ein Wendepunkt war. Nun packte Keusch sein bestes Tischtennis aus, während Vepa nicht mehr ganz an die ausserirdische Leistung der ersten zwei Sätze anknüpfen konnte. Es entwickelte sich nun ein Duell auf sehr hohem Niveau mit vielen langen und hochklassigen Ballwechseln. Beim Stande von 8-9 war aber ein Timeout dennoch von Nöten, ehe der Satz mit 11-9 an das Zürcher Ausnahmetalent ging. Auch der nächste Durchgang begann sehr ausgeglichen, in der Vepa anfangs leicht in Front lag, bevor Keusch seinen Widersacher mit beidseitigen Topspins regelrecht bombardierte und die Aufholjagd mit 11-8 perfekt machte. Ein alles entscheidender Satz für den Titel!

 

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Dieser begann katastrophal. Ein furios aufspielender Vepa erarbeitete sich eine 6:0-Führung. Der YSZ’ler brauchte also wieder ein kleines Wunder. Doch Keusch war zu weit gekommen um jetzt noch aufzugeben und holte nach und nach auf. So stand es bald nur noch 6-7, dann aber 6-9 und schliesslich 8-10. Zwei Matchbälle für Vepa! Den Ersten wehrte der Blondschopf direkt mit seinem Aufschlag ab, beim Zweiten richtete es ein Angriffsball. 10-10! Nachdem die nächsten zwei Punkte ebenfalls mit dem Aufschlag vorbereitet bzw. erzielt wurden, kam Keusch beim Stande von 12-11 um 20:55 Uhr zu seinem ersten Matchball. Dank eines sehr cleveren Spielzugs legte der YSZ’ler dann die Vorlage um seinen gefürchteten Vorhandtopspin einzusetzen. Mit unglaublicher Geschwindigkeit und Winkel traf Keusch seinen Paradeschlag und der Ball landete so haargenau auf der Seitenlinie, dass nicht mal der gross gewachsene Vepa in der Lage war dranzukommen…SIEG! Danach gab es für alle Zürcher in der Halle natürlich kein Halten mehr (den Ballwechsel kann man auf der Facebook-Seite des TTC Young Stars Zürich anschauen).

 

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Im Anschluss fehlten dem frisch gebackenen U15-Schweizermeister ein wenig die Worte: “Ich kann’s gerade kaum glauben. Es war ein unglaubliches Match, Abishek hat auf extrem hohem Niveau gespielt. Ich denke der Knackpunkt war im dritten Satz, als ich das Mittel gegen seinen Service gefunden habe. Danke noch all meinen Vereinskollegen für die extrem geile Stimmung!”

 

Auch Baumann, der den frisch gebackenen U15-Schweizermeister seit dessen Anfangszeiten ausgebildet hat, zeigte sich überglücklich mit dem Titel seines Schützlings: “Es war ein grossartiges Spiel, das eigentlich keinen Verlierer verdient. Aber natürlich bin ich froh und erleichtert, dass Noe den Sieg errungen hat.  Dass er im fünften Satz nach 0:6-Rückstand den Glauben nicht verloren und wie souverän er die drei Matchbälle abgewehrt hat, war mental unfassbar stark und hat ihm letztendlich den Erfolg gebracht. Im Gegensatz zum Top 8 hat Noe den Kampf mental angenommen und auch auf psychologischer Ebene dagegengehalten”, kommentierte Profitrainer Baumann das dramatische Endspiel.

 

Und die YSZ-Legende fügte noch überglücklich hinzu: “Ich bin froh und dankbar für ihn, dass es in diesem Jahr im Einzel (und Knaben Doppel) mit dem Gewinn des Titels geklappt hat. Er war schon häufig sehr nah dran gewesen bzw. 2020, als er die klare Nummer 1 war, wurden ja keine Schweizer Meisterschaften ausgetragen. Umso schöner ist es jetzt, dass es in diesem Jahr nach harter Gegenwehr von Abishek geklappt hat. Ich freue mich nicht nur über den Sieg, sondern auch darüber, dass er in einem so attraktiven, spielerisch und taktisch so hochklassigen und von der mentalen Dramaturgie und der Spannung kaum zu überbietenden Endspiel zustande kam. Noe kann wirklich stolz darauf sein, in diesem Match so viele Schwierigkeiten und Hindernisse überwunden zu haben. Das ist etwas, was ihm auch fürs Leben (Sport ist in meinen Augen immer auch eine Lebensschule) sehr viel bringen wird. Kein Zweifel: Noe hat den Titel mehr als verdient. Er setzt viel Zeit am und neben dem Tisch für seinen Sport ein und es gibt Phasen, wo er Tischtennis schon richtig professionell lebt. Dass Noe unfassbar viel Talent und Freude am Tischtennis hat und dass diese Begabung ausreichen würde, um eines Tages den Titel zu gewinnen, stand für mich ohnehin ausser Frage. Der Erfolg freut mich aber nicht nur für Noe selber, sondern auch für seine Eltern, die fürs Tischtennis auf viel Freizeit und Familienleben verzichten und für den TTC Young Stars Zürich, weil seine langfristige, auf Förderung und Entwicklung des eigenen Nachwuchs angelegte Strategie sich bezahlt gemacht hat.”

 

Noe Einzel 

So sicherte Keusch YSZ den ersten Einzeltitel an einer SM seit Anna Frey vor 17 Jahren (als, mit zwei Ausnahmen, keiner des YSZ-Nachwuchses auf der Welt war). Freudestrahlend konnten er und Scherer dann am sehr späten Abend in Lyss bei der Siegerehrung nun auch im Einzel ihre lang ersehnten Medaillen umgehängt bekommen lassen. 

 

Podest U15 Einzel 

Herzliche Gratulation an dieser Stelle noch einmal an die beiden Jungs und auch speziell an Baumann und Busslinger, die seit etlichen Jahren Aussergewöhnliches beim YSZ-Nachwuchs leisten und am Sonntag dann die Krönung ihrer Arbeit zu sehen bekamen!