Wir schreiben das Jahr 1985. Ein Grossteil unserer Clubmitglieder war noch nicht geboren oder zumindest noch in Windeln, Michail Gorbatschow war gerade zum Generalsekretär der kommunistischen Partei der damaligen Sowjetunion gewählt worden und US-President Ronald Reagan war auf Besuch in Europa. Zwei Teenager namens Sandra Busin und Jörg Funk spielten derweil an den Schweizer Jugendmeisterschaften im Mixed Doppel um die Medaillenränge gegen einen übermächtigen Gegner namens Thierry Miller und seine Partnerin, deren Namen dem Schreiberling entfallen ist. Sie verloren das Spiel, waren aber trotzdem überglücklich über die gewonnene Medaille.

 

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Sandra und Jörg strahlen um die Wette vom Podium

 

Für Sandra sollte das SM-Medaillensammeln in den nächsten Jahren zur Routine werden, für Jörg aber war es wegen einer Verletzung das letzte Tischtennisturnier und die letzte Medaille für die kommenden Jahrzehnte. Bis zum denkwürdigen Sonntag im Mai 2019 an den Senioren-Schweizermeisterschaften in Crissier. 34 Jahre später, mit gleichem Elan und in gleicher Besetzung war es für die beiden wieder so weit!

 

Sandra und Jörg waren im Mixed-Doppel als Nr. 1 gesetzt, was aber nur an einem mickrigen Klassierungspünktchen gegenüber den anderen Doppeln lag. Es bedeutete aber, dass die erste Runde keine allzu grosse Hürde darstellte, man konnte sich warm spielen und die Nervosität ablegen. Das Meisterstück lieferten Sandra und Jörg dann im Halbfinal gegen Leuenberger/Jacobsen ab. Wer den A-Spieler Jacobsen später im Herrendoppel-Final mit Thierry Miller sein wunderbares Topspin-Spiel spielen sah, wunderte sich, wieso im Mixed davon nichts zu sehen war. Sandra und Jörg vollbrachten schlicht eine taktische Meisterleistung, liessen ihn überhaupt nicht ins Spiel kommen und schossen sich auf seine Partnerin Leuenberger ein. Ein klarer 3:0 Sieg resultierte und man durfte um den Titel spielen. Derweil spielte am Nachbartisch Thierry Miller mit Karin Opprecht gegen Matuschek/Geiger und Sandra und Jörg freuten sich bereits auf die Revanche, auf die sie 34 Jahre lang hatten warten müssen. Aber Matuschek/Geiger gewannen knapp im 5. Satz und aus der Revanche wurde nichts. Aber das war ja auch egal, was zählte, war der Titel!

 

Die Kombination eines Linkshänders mit einer Antitop-Spielerin war sehr ungewohnt und noch dazu spielten Matuschek/Geiger taktisch sehr klug. Sandra und Jörg sahen im ersten Satz überhaupt kein Land und verloren klar. Im zweiten Satz wurde die Angelegenheit knapper, aber noch immer kamen Sandra und Jörg nicht richtig auf Touren und verloren auch diesen Satz knapp. Satz 3 sollte nun die Wende bringen! Lange sah es gut aus, Sandra und Jörg führten eigentlich während des gesamten Satzes. Am Ende aber schlichen sich plötzlich wieder Fehler ein und der Satz ging knapp 10:12 verloren und damit auch der Schweizer Meistertitel. Die Trauer war aber nur kurz und die beiden strahlten bei der Siegerehrung trotzdem um die Wette. Für einmal über Miller auf dem Treppchen zu stehen, war eine besondere Genugtuung.

 

Im Herren Doppel spielte Jörg mit dem Linkshänder Zdenko Kurtovic (B14) zusammen und die beiden harmonierten ausgezeichnet. In den Gruppenspielen setzte es den erwarteten Sieg gegen ein tiefer klassiertes Paar und die erwartete Niederlage gegen Miller/Jacobsen (A19/A16) ab. Die Viertelfinalqualifikation musste mit einem Sieg gegen die Romands Cherix/Buco (B13/B13) erkämpft werden. Der erste Satz ging klar verloren, im zweiten lag man 8:10 zurück und es sah zappendüster aus. Aber Jörg und Zdenko kämpften unbeirrt weiter und brachten nun ihre Topspins alle auf den Tisch und gewannen knapp 13:11. Das Spiel wogte danach hin und her und ein 5. Satz musste die Entscheidung bringen. Dort spielten Jörg/Zdenko ihre ganze Klasse aus und gewannen relativ sicher.

 

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Jörg Funk und Zdenko Kurtovic im Herren Doppel

 

Im Viertelfinal wartete nun das ZH-Affoltern Duo Norden/Matuschek, gegen die Jörg je eine Rechnung offen hatte. Jörg und Zdenko verschliefen den 1. Satz, konnten den 2. Satz aber knapp für sich entscheiden. Sätze 3 und 4 waren auch beide ausgeglichen, ein 5. Satz musste somit die Entscheidung bringen. Und dort legten Jörg und Zdenko los wie die Feuerwehr! Sie spielten sich in einen Rausch und die Gegner an die Wand und nach einer 8:2 Führung schien die Medaille schon fast auf der Brust zu prangen… und dann… tja, dann stand es plötzlich 9:5 und 9:9 und am Ende 9:11. Die beiden konnte es kaum fassen, aber so bitter kann Tischtennis sein! Der Match ist frühestens bei 11 fertig und hier war die auf dem Silbertablett dargereichte Medaille weg.

 

Fortuna schien der Ansicht, eine Medaille sei genug des Glücks für Jörg, denn auch im Einzel schien sie ihn verlassen zu haben. In den Gruppenspielen war ein Sieg gegen einen D-Spieler Pflicht und gegen Csaba Vigh (A18) eine Niederlage budgetiert. Wer aber den Match gegen Vigh sah und die durchschnittlich drei Netzbälle pro Satz von Csaba zählte, hätte sich durchaus einen anderen Ausgang als Jörgs Niederlage vorstellen können. Jörg spielte eigentlich sehr gut, wurde aber denkbar schlecht belohnt. Das entscheidende Spiel für die KO-Phase war aber gegen Behrendt (B12). Den Anfang verschlief Jörg mit 1:5 total, konnte den Satz aber noch knapp mit 11:9 gewinnen. Der zweite Satz war die Umkehrung des ersten in allen Aspekten, es stand 1:1. Der 3. Satz sollte dann ein wahrer Knüller werden. Behrendt blockte sensationell gegen Jörgs Topspinspiel, Jörg musste sich Punkte typischerweise mit mindestens 5 Topspins erdauern. Der Satz ging bei 10:10 in die Verlängerung und dauerte ewig mit zum Teil endlosen Ballwechseln. Bis zum 18:18 hatten beide Spieler mehrere Satzbälle und - tja und dann - kam besagte Fortuna ins Spiel bzw. leider nur auf der anderen Seite der Platte. Behrendt gewann den Satz mit zwei aufeinanderfolgenden Netzrollern mit 20:18. Damit war die Luft bei Jörg endgültig draussen, im letzten Satz fehlte ihm schlicht und einfach die Puste und die Energie. 

 

Die gewonnene Silbermedaille aus dem Mixed liess die unglücklichen Niederlagen aber schnell vergessen. Die Saison 2018/19 wird sowohl für Sandra und Jörg als genial erfolgreich und spannend (aber auch unendlich lang) in Erinnerung bleiben.

 

Text: Jörg Funk

 

 

Resultatübersicht

2. Rang Mixed Doppel O50/O60: Sandra Busin und Jörg Funk

5. Rang Herren Doppel O50: Jörg Funk und Zdenko Kurtovic (Niederhasli)